Mental Survival

Mentale Stärke im Survival

wie wirst Du und dein Körper in einer schlagartig veränderten, ja vielleicht sogar lebensgefährlichen Situation reagieren? Wir schauen uns dann einmal genauer an.

Einleitung

Wenn es nicht gerade Rettungskräfte, Polizei oder spezialisierte Truppengattungen sind, werden die meisten Menschen, falls es denn eintritt, unvorbereitet und schlagartig in eine veränderte Situation kommen, die mitunter Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann. Der daraus resultierende Stress kann nicht nur für uns Menschen akut Lebensgefährlich werden, sondern auch nach dem Ereignis chronische Spätfolgen wie z.B. PTBS haben.

Ich finde es interessant aber zugleich auch merkwürdig, dass bei Überlebenstrainings die Survivalprioritäten erlernt werden abzuarbeiten, aber auf dem Stundenplan der meisten Trainings steht kein “Unterrichtsfach” – Survivalpsychologie. Dieses Thema wird oft sehr stiefmütterlich behandelt. Daher habe ich mich auch gefreut, als das Buch von Thomas Gast – Mental Survival – Ängste überwinden, Ziele erreichen und einen starken Charakter entwickeln im Eulogia Verlag erschienen ist. Der Auto Thomas Gast hat mit seinen 17 Jahren Dienstzeit in der französischen Fremdenlegion Abenteuer im Urwald von Französisch Guyana, den Einsatz in Krisengebieten Afrikas und vielfältige Erfahrungen in der Internationalen Sicherheitsbranche er- sowie überlebt.

Notfälle sind Ereignisse, die aufgrund ihrer subjektiv erlebten Intensität physisch und/oder psychisch als so beeinträchtigend erlebt werden, dass sie zu negativen Folgen in der physischen und/oder psychischen Gesundheit führen können.

(Lasogga/gasch, Notfallpsychologien)

Drama und Trauma kann auf jeder Outdoor-Aktivität im In- oder Ausland auftreten in Form von Unfällen, Tod oder Verlust. Zudem ist der menschliche Körper im Vergleich zu unseren Vorfahren weniger Robust und anfälliger für Verletzungen.

Wie viele Menschen wissen und haben erfahren wie sie unter gefährlichen Situationen reagieren? Im besten Fall haben wir uns vor unserem Outdoor-Abenteuer mit Fähigkeiten wie eine Schutzhütte zu bauen, Feuer zu entfachen, Nahrung zu erschließen und Wasser aufzubereiten eingedeckt! Was nützen aber diese Fähigkeiten, wenn ich in einer Stresssituation nicht in der Lage bin, dass Wissen abzurufen? Sicher zu priorisieren, klare Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen auch in der Lage bin zu reflektieren? Welche Strategien kenne ich, um mich selbst zu beruhigen, die Situation klar zu erfassen? Kenne ich auch die Hinweise des menschlichen Körpers auf akute Belastungen? Wie wirkst sich das z.B. auf eine Gruppe aus? Viele dieser Themen werden in Survival- und Outdoortrainings nicht gelehrt! Warum? Es ist halt nicht so spektakulär wie über eine Seilbrücke zu hangeln. Leider!

Notfallpsychologie

Notfallpsychologie bezieht sich auf die Anwendung psychologischer Prinzipien und Interventionen, um Menschen in Krisensituationen zu unterstützen. Dies kann nach Naturkatastrophen, Unfällen, terroristischen Angriffen oder anderen traumatischen Ereignissen der Fall sein.

Ziele und Phasen

Ziele der Notfallpsychologie

  • Krisenbewältigung: Unterstützung dabei, mit den emotionalen Auswirkungen von Krisen umzugehen.
  • Prävention von psychischen Störungen: Reduzierung des Risikos von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen psychischen Problemen.
  • Förderung der Resilienz: Stärkung der Fähigkeit von Individuen, sich von Traumata zu erholen und sich anzupassen.

Stressoren und Reaktionen

Auf verschiedene Stressoren können Menschen sehr subjektiv in ihrer Intensität darauf reagieren. Dauert die Anspannung länger an oder war der Stressor Traumatisierend kann es bei unzureichender Behandlung eine chronische psychische Störung kommen, die auch zu einer stark erhöhten Selbstgefährdung tödlich enden kann.

StressorenBeispielReaktion und Bewältigung
Nicht bedrohlichFern aufziehendes Gewitter/UnwetterKurzfristige Anspannung, Entspannung nach Auflösung des Unwetters
ÜberfordernVerlaufen im Nationalpark in KanadaHohe Anspannung, Ausschüttung des Stresshormons z.B. Cortisol
BedrohlichFestgefahrenes Fahrzeug in der WüsteExistenzielle Gefahr und akute körperliche Reaktion
TraumatisierendSchwerer Unfall / Absturz in den BergenMittelfristige Belastung mit langsamer Erholung
Schwer traumatisierendtödlicher Unfall oder Überfall/AnschlagLangfristige Belastung, anhaltende Einschränkung
Rektionsintensitäten

Erste Reaktionsphase

Auch wenn wir modernen Menschen unser Fell abgelegt haben und nicht mehr mit Pfeil und Bogen große Wildtiere bejagen stecken in uns noch immer tief verankerte (archaische) Stressreaktionen die viele von uns, zu mindestens in der Theorie kennen: Flucht oder Angriff. Den dritte kennen jedoch bereits weniger: “Freeze” – also die Untätigkeit. Manche haben vielleicht schon einmal ein Video gesehen, bei dem ein Mensch eine Lawine, welche auf ihn zurast “beobachtet”, ihr euch aber fragt: Warum rennt die Person nicht weg. Vielleicht weil sie es nicht kann? Diese Menschen sehen förmlich die Gefahr auf sich zukommen, können sich aber “vor Angst” nicht mehr bewegen.

Menschen reagieren auf die gleiche Gefahr oder Stress absolut unterschiedlich. Für jeden ist etwas andere Gefährlich oder traumatisch.

Reaktion auf Gefahren

Bei der Konfrontation mit einem Raubtier können wir mit Flucht, Angriff oder Freeze reagieren. In den meisten Fällen sollte man dem Tier Zeit zum Rückzug geben. Flucht könnte einen Angriff auslösen!

Bei einem Waldbrand wäre das “Nichts-Tun” wohl lebensgefährlich. Eine Flucht, aufgrund der Geschwindigkeit des Feuers ggf. nicht möglich. Angriff in Form eines Gegenfeuers jedoch möglich!

Bei einem herannahenden Zug oder auch einer Lawine an Ort und Stelle zu verharren, ist mit großer Sicherheit tödlich. Hier kann nur die Flucht lebensrettend sein!

Strategien der Stressbewältigung

Eine gute mentale und körperliche Verfassung, Training, Fähigkeiten, Routine und Vorbereitung kann im Fall der Fälle helfen richtig in einer Notfallsituation zu reagieren. Das aller Beste ist, dass vor allem größere Outdoor-Aktivitäten oder Reisen gut durchdacht und geplant sind. Dazu gehört auch eine Risikobetrachtung bzw. Risikomanagement. Die nachfolgenden Strategien sind nicht unbedingt für die direkte akute Phase gedacht, sondern für die Planung und Überlegung danach.

S.T.O.P.

Stop: Ein STOP beginnt damit, inne zu halten. Sie ggf. hinzuknien, hinzusetzten. Innerlich zurücknehmen, bewusst ein- und auszuatmen.

Think: Jetzt beginnt das nachdenken, sich selbst geordnet zuzuhören. Sich die Fragen zu stellen: Was ist eigentlich gerade passiert? Wie geht es mir (körperlich und psyhsisch). Analysiere die Situation. Entscheide was ich zum überleben brauche und priorisiere!

Observe: Beobachte dein umliegendes Gelände. Was siehst Du? Was könnt dir in deiner Situation nutzen/helfen? Sehe ich Rettungsmöglichkeiten? Ist Wasser oder andere wichtige Ressourcen in der Nähe?

Plan: Beschließe und Plane deine nächst besten Schritte. Warte und verhoffe nicht auf Hilfe von der du nicht weißt ob sie überhaupt kommt. Handel!

O.P.A.

Observe: Beobachte deine Umgebung bewusst und aufmerksam. Lese das Gelände. Welche Ressourcen kannst du sehen, die dein Situation vereinfachen können.

Plan: Anhand deiner Beobachten gehst du in die Planungsphase. Welche Survival-Prioritäten musst ich in welcher Reihenfolge abdecken? Wie kann ich ein Notsignal abgeben und Rettungsmannschaften auf mich aufmerksam machen?

Act: Setzte deinen Plan um! Warte nicht auf Rettung oder bis es dunkel wird. Sei aber Mutig und Entschlossen genug, deinen Plan immer wieder zu reflektieren und zu überdenken. Passt etwas nicht habe den Mut den Plan zu ändern!

Das ten for ten – Prinzip

Dieses Prinzip kommt aus der Notfallmedizin, welches ich daher auch gerne Teilnehmern bei den Outdoor-Erste-Hilfe Trainings mit auf den Weg geben. Im Prinzip geht es darum lieber für 10 Sekunden zu planen, als 10 Minuten das Falsche zu machen. D.h. man selbst oder alle Beteiligten sollten kurz unterbrechen (außer lebenserhaltende Maßnahmen wie die Wiederbelebung (HLW/CPR), um alle Informationen zusammenzutragen, Ideen aber auch Bedenken vorzutragen. Aufgrund dessen Informationslage wird ein Entschluss gefasst und die Ressourcen und Aufgaben verteilt.

Step back – Die Adlerposition

Wer gerade in einer akuten Belastungssituation und damit ggf. überfordert ist, der sollte sich mit wenigen Schritten für eine kurze Zeit von der Situation lösen. Abstand und damit Übersicht gewinnen. Raus aus der Mikro-Ebene (Froschposition) rein in die Marko-Ebene (Adlerposition). Denn ggf. sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Diese einfache Technik hilft sich wieder zu strukturieren.

Selbst John Gretton Jr. “Jocko” Willink ein US-amerikanischer pensionierter Offizier der United States Navy SEAL berichtete einmal, dass er in einer Situation war, in dem er das Gefühl hatte etwas stimmt nicht. Er lag in einer Reihe mit seinen Kameraden mit beobachteten Blick auf das Vorfeld und Dörfer. Er nahm sich darauf hin aus der Linie raus, ging ein paar Schritte zurück und beobachtete, schätze die Situation neu ein und gab neue Befehle aus, die das persönliche Risiko seiner Kameraden deutlich verringerten.

Die Veränderung des Blickwinkels auf ein Problem oder Herausforderung kann unbeschreiblich hilfreich sein.

Resilienz, mentale Stärke, Willenskraft

In dem Blog-Beitrag hatte ich geschrieben, dass jeder Mensch auf die gleiche Situation unterschiedlich reagiert. Wo der eine panisch wird, wird der andere ruhig und besonnen. Wie man reagiert kann man, wenn man noch nicht in einer solchen Situation war, nur erahnen. Meine ersten Erfahrungen hatte ich bei der Bundeswehr bei einem mehrtägigen Manöver. I.d.R. vergisst man nach ein paar Stunden, dass es sich um ein Manöver handelt. In der Situation war der Gruppenführer weg. Wir hatten plötzlich Feindkontakt und irgendwie hat jeder “irgendwas” gemacht. Mein Vorteil war, ich hatte eine erhöhte Position und konnte besser sehen und fing an Befehle zu erteilen und zu koordinieren, so dass der Feind bekämpft aber auch unsere Flanke gesichert wurde. Ich war von mir selbst erstaunt, dass ich in der Situation ruhig war obwohl vor der Situation einfach nur nervös.

Diese Erfahrung hatte ich dann auch als Erste-Helfer bei mehreren Unfällen gehabt. Nicht falsch verstehen. Ich habe eine massive Prüfungsangst mit allem was dazu gehört, bin vor jedem Vortrag nervös obwohl ich als Ex-Manager nicht wenige halten musste. Übelkeit und Kreislauf ist dabei ständiger Begleiter. Aber komischer Weise, wenn ich dann in einer Situation bin, werde ich ruhig und strukturiert. Löst sich die Situation darf ich zugeben, dass auch mal eine Träne der Anspannung kullert. Das ist für mich ok und meine Art das zu verarbeiten.

Kann man lernen Ängste zu überwinden und Resilienz sowie Willenskraft zu stärken?

Ich denke wir alle kommen mit Stärken und Schwächen auf die Welt. Der eine ist vielleicht Mutiger als der andere, wäre aber vielleicht noch vor ein paar hundert Jahren gestorben, weil er mehr Risiken als der wenigere Mutige eingegangen ist.

Meine persönliche Erfahrung und Motto:

If you go through you will grow through.

Verfasser unbekannt

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp
Email

Andere Beiträge

Diese Artikel könnten Dich auch Interessieren