Fallwild_Totes_Rehwild

Darf man aufgefundene Wildtiere bedenkenlos essen?

Erfahrt hier was man wissen muss, um beurteilen zu können, ob die aufgefundene tierische Eiweißquelle bedenkenlos essbar ist, oder man lieber die Finger davon lassen sollte!

Einleitung

Nicht wenige werden durch diverse TV-Shows in ihrer Annahme fehlgeleitet, in einer Notfallsituation “einfach” an frisches Fleisch zu gelangen. Der Klassiker: Mit einem selbst gebauten Speer aus Holz auf die Wildschweinjagd zu gehen. Realistische Erfolgschance? Gleich Null! Entweder haben die Schwarzkittel euch schon lange mitbekommen oder ein “halbstarker” angriffslustiger Überläufer, den wir Jäger auch gerne Hosenflicker nennen, jagd euch durch den Wald.

Schwarzwild gehört zu dem wehrhaften Wild

Was einen solche TV-Formate nicht sagen, vielleicht weil die Protagonisten es selber gar nicht wissen ist, dass es viel Übung sowie Erfahrung braucht um Wild nachstellen und auch erlegen zu können. Denn mit einem Speer oder anderen improvisierten “Gegenständen” müsstet ihr verdammt nah an das Wildtier herankommen. Selbst für geübte Jäger stellt die sogenannte Pirschjagd eine große Herausforderung dar. Auf so vieles ist zu achten: Die Windrichtung, wie ist meine Tarnung, kann ich überhaupt Pirschen. Viele sind verwundert wie Zeitaufwendig und Geduldig man bei der Pirsch sein muss. Für 50-100 Meter kann man schon einmal “Stunden” brauchen.

Ein kleiner Fehler und man hört nur das typische Blöcken vom Rehwild oder das Blasen vom Schwarzwild. Warnzeichen! Die Wildtiere trollen sich, die Bühne leer und alle wissen das ihr da seid!

Aber was ist, wenn ein totes Wildtier aufgefunden wird? Darf und kann man das Essen? Die ersten Gedanken in einer Notsituation könnten sein: Jackpot!

Schauen wir uns ein paar Punkte dazu an!

Fallwild, Unfallwild, erlegtes Wild

Als Jäger unterscheide ich zwischen den Kategorien Unfallwild, Fallwild und erlegtes Wild.

Von der Polizei gemeldetes Unfallwild
Erlegtes WildErlegtes Wild ist Wild, welches nach jagdrechtlichen Vorschriften erlegt wurde
FallwildWild welches Tod vorgefunden wurde und das nicht durch Erlegen oder sonstigen mir bekannten äußerer Gewalteinwirkung zu Tode gekommen ist, wird als Fallwild bezeichnet
UnfallwildAls Unfallwild bezeichnet man Wildtiere, die nicht durch das Erlegen, also die Jagd zu Tode gekommen sind, sondern durch äußere Gewalteinwirkung z.B. einem Verkehrsunfall.

Verendet aufgefundene Wildtiere dürfe nicht einfach mitgenommen werden. Diese gehören dem Jagdausübungsberechtigten und fallen unter das Jagdrecht. Bei einer unerlaubten Mitnahme macht man sich der Wilderei strafbar!

Ob diese Tiere in der Survival-Szene gerne auch als Roadkill bezeichnet “genusstauglich” also verzehrbar sind, lässt sich ohne Übung und Kenntnisse nur sehr schwer feststellen. Nicht umsonst müssen z.B. Jäger viele Stunden Gesetze, Verordnungen und Lernstoff zum Thema Lebensmittelhygiene, Wildbrethygiene büffeln und in dem Fach theoretisch sowie praktisch eine Prüfung ablegen. Zu groß ist sonst die Gefahr, sich mit Krankheiten zu infizieren, welche von Tier auf Mensch, sogenannte Zoonosen übertragbar sind. Ihr seht schon, so ganz einfach wie im Fernsehen dargestellt ist es in der Realität leider nicht.

Übertragbare Wildkrankheiten (Zoonosen)

Die Freude eine tierische Eiweißquelle vorgefunden zu haben, darf nicht dazu führen unbedacht an die ganze Sache heranzugehen, denn beim Umgang mit Wild kann sich der Mensch auf verschiedene Arten infizieren:

Am lebenden Stück durch:

  • Berührung
  • Bisse
  • Kratzer

Am toten Stück beim:

  • Aufbrechen (Versorgen) und Zerwirken
  • Zubereitung und Verzehr von infizierten Wildfleisch (Wildbret)

Übersicht über die häufigsten Wildkrankheiten

In der nachfolgenden Tabelle gebe ich euch eine Übersicht an den Krankheiten, welche eine Gefahr für den Menschen darstellen. Über die hier niedergeschriebenen, gibt es noch eine Vielzahl mehr an Wildkrankheiten, welche uns ebenfalls anzeigen, ob das Wildfleisch Genusstauglich oder Genussuntauglich ist!

Erkrankungen ausgelöst durch Viren
Krankheit Gefahr für den Menschen
TollwutX
GeflügelpestX
FSMEX
Erkrankungen ausgelöst durch Bakterien
KrankheitGefahr für den Menschen
NagerseucheX
Nagerpest (Tularämie)X
BrucelloseX
SalmonelloseX
TuberkuloseX
MilzbrandX
BotulismusX
BorrelioseX
Ornithose (Chlamydiose)X

Bedenkliche Merkmale

Bedenkliche Merkmale sind Auffälligkeiten am Wildtier die uns Hinweise auf möglich vorliegende Krankheiten des Tieres geben. Einige dieser Anzeichen können nur am lebenden Tier festgestellt werden andere wiederum am erlegten oder tot vorgefundenen Wild.

Bedenkliche Merkmale sind:

  • Abnormales / Auffälliges Verhalten (Verhaltensänderung am lebenden Tier)
  • Verlust der natürlichen Scheu vor dem Menschen
  • Abmagerung / Abgekommen
  • Glanzloses, stumpfes Fell
  • Durchfall (Kotverschmiertes Hinterteil)
  • Verklebte Augenlider
  • Knochenbrüche
  • Zahlreiche Geschwülste, Abzesse oder Wucherungen
  • Ekel erregender Geruch
  • Muskelschwund
  • Übermäßiger Parasitenbefall
  • Veränderung der inneren Organe (z.B. Entzündung, Schwellung, Verfärbung, Verklebung etc.)
  • Fremder Inhalt in der Körperhöhle
  • Abweichung der Muskulatur in Farbe, Konsistenz oder Geruch
  • Gasbildung des Darms mit Verfärbung der inneren Organe

Solange ein Tier nicht selbst erlegt wurde und eine “Lebendschau” nicht stattfinden konnte, besteht immer ein Risiko, sich mit einer Wildkrankheit zu infizieren. In einer Notsituation muss daher das Fleisch unter allen Umständen sehr gut und über eine längere Zeit erhitzt werden!

Man sieht, es gibt zum einem einiges zu beachten und man braucht Erfahrung um richtig bewerten zu können, was sind denn z.B. Veränderungen der Organe. Dazu muss man wissen, wie diese im gesunden Zustand aussehen.

Bereits durch Wildtiere angefressenes Reh
Weit vorgeschrittener Zersetzungsprozess

Todeszeitpunkt

Bei Wildtieren, die wir tot auffinden und die nicht gerade offensichtlich durch eine Falle getötet worden sind, kennen wir die Todesursache i.d.R. nicht. Als Jäger beginnt bei uns die Fleischygiene bereits beim “Ansprechen” vom Wild. Bevor wir die tödliche Kugeln antragen beobachten wird das Wild und suchen nach eventuellen bedenklichen Merkmalen, die uns mitteilen sollen, ob das Wild bedenkenlos verwerten werden kann oder nicht.

Ein weiterer wichtiger Punkt, bei aufgefundenden Wild, ist den ungefähren Todeszeitpunkt zu ermitteln um für mich in einer Notsituation bewerten zu können ob ich auf diese “Nahrungsquelle” zurückgreife oder nicht. Ein totes Tier bewegt sich zwar offensichtlich nach dem Tod nicht aber im inneren finden auch nach dem Todeszeitpunkt “innere Prozesse” statt. Zum einem fangen die Muskeln an, sich zu verspannen und auch die Verdauung im inneren des Wildtierkörpers arbeitet weiter.

Der Magen gärt und bläht sich auf. Vielleicht hab ihr schon einmal ein totes Wildtier am Straßenrand gesehen, das die Läufe gerade von sich gestreckt hat und wie “aufgeblasen” aussieht. Das kommt daher, dass die Verdauungsenzyme den Körper von innen verdauen. D.h. die Verdauung hört auch nach dem Tod nicht auf.

Bereits nach wenigen Stunden ergießen sich die Magen- und Darminhalte in die Körperhöhle. Nicht schwer sich vorzustellen, dass das wenig appetitlich ist.

Ebenfalls sind trübe Augen ein äußeres Zeichen auf eine schon längere Liegezeit.

Leichenstarre

Bereit 1 – 2 Stunden nach dem Versterben tritt i.d.R. die Todesstarre ein. Die volle Ausprägung der Leichenstarre ist nach etwa 6 bis 8 Stunden nach dem Tod erreicht. Wie lange diese dauert ist unterschiedlich. In der Regel löst sich die Erstarrung der Muskeln wieder nach 24 bis 48 Stunden. Danach beginnen Bakterien mit der natürlichen Zersetzung des Wildkörpers. Ein intensiverer Geruch setzt ein, welcher dazu führt, dass Fliegen, Käfer und Aasfresser angelockt werden.

Finde ich also ein Wildtier auf, welches sich noch in der Leichenstarre befindet kann ich schon einmal grob einschätzen wie lange es schon Tod ist.

Geruch

Es ist, wie mit dem Essen in unserem Kühlschrank. Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, schaue ich mir das Lebensmittel genau an und bevor ich daran schmecke, nutze ich meine Nase und rieche mal daran. Alles was einen ekelerregenden Faktor hat, wird ohne Ausnahme verworfen. Vertraut euren Sinnen, eurem Bauchgefühl.

Aufgefundene Wildtiere sollten “abgeschnuppert” werden. Das sogenannte Abriechen. Durch Bakterien ein Prozess begonnen, welcher Teile des Gewebes durch Fäulnis zersetzen. Jeder der mal eine tote Maus im Haus hatte kennt den “Verwesungsgeruch”. Neben dem Geruch spiel noch die Farbe und Struktur des Fleischs eine wichtige Rolle

Farbe und Struktur

Verletztes Gewebe z.B. durch einen Schuss oder durch eine Pfeil, Messe etc. fault schneller als intaktes Gewebe, da es eine gute Eintrittspforte für Bakterien aber auch für Parasiten wie Fliegeneier bietet. Fleisch, welches solchen Bakterien ausgesetzt ist, verfärbt sich grünlich. Oft sind solche Bereiche auch mit einer schleimigen Oberfläche versehen – das Fleisch ist vermutlich nicht genusstauglich! Hier lohnt es sich, diese Schichten großräumig wegzuschneiden z.B. bei der Keule. Tiefere noch intakte Schichten können hier noch in Ordnung sein.

Wenn also der Geruch sowie die Farbe in Ordnung sind schauen wir uns die Fleischstruktur an. Zerfasert es beim Zerdrücken kann es schon vollständig verdorben sein.

Schleimige Oberfläche – Genussuntauglich
Grünlich verfärbtes Wildfleisch – Genussuntauglich

Zusammenfassung

In einer wirklichen Notsituation werden sich die meisten realistisch von Pflanzen ernähren. Das geht auch für ein paar Wochen. Über einen längeren Zeitraum hinweg brauchen wir jedoch tierisches Eiweiß, alleine schon um unsere Leistungsfähigkeit in einer solchen Situation zu erhalten.

Man muss sich aber absolut im klaren darüber sein, dass man ohne Erfahrung, Wissen und der notwendigen Sorgfalt sich sehr schnell in “Lebens-“Gefahr bringen kann. Sei es durch die Jagd selbst, besonders auf wehrhaftes Wild oder durch den Verzehr von genussuntauglichen Fleisch.

Das war auch bei mir der Grund, warum ich nach meiner Survival-Trainer-Ausbildung auch den Jagdschein gemacht habe. Hier erhielt ich all das Wissen über Wildtiere, deren Biotope und das Wissen über Wildkrankheiten. Die Jagd selbst gibt mir die Möglichkeit der Praxiserfahrung.

Wer also auf tierische Eiweißquellen in einer Not-Situation sicher zurückgreifen möchte, der sollte sich mit dem Thema Jagd oder Angeln in Theorie und Praxis vor einem Survival-Situation beschäftigen. Das Wissen und die Erfahrung kommt erst mit dem “Machen”.

Eine weitere Möglichkeit sich tiefer mit dieser Materie zu beschäftigen ist ein Buch, welches ich euch empfehlen kann ist vom dem Autor Michael Freiherr v. Keyserling-Eberius mit dem Titel “Farbatlas Wildkrankheiten”. Ein gutes Nachschlagewerk mit allen wichtigen Wildtierkrankheiten in Wort und Bild.

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